Sonntag, 19. April, 23.00 Uhr, ORF 2 – Erstausstrahlung von „Der Unruhestifter - Die seltsamen Methoden des Michael Moore“. Ein seltenes Juwel des Dokumentarfilms über einen Dokumentarfilmer (sic!). Österreichisches Qualitätsfernsehen; und ob sich der ORF den schwierigen Zeiten der Krise anpasst, vermag ich nicht zu beurteilen, denn so ganz fehlt mir ein eklatanter Unterschied zu Vor-Krisen-Zeiten. Ein Krimi (ähm, Polizeiserie) um 20.15 Uhr am „Einser“ funktioniert aber eh immer.
„Manufacturing Dissent“ lautet der englische Titel des Films, der Michael Moore mit seiner eigenen Medizin konfrontiert, nur im Unterschied zu dessen ihm üblichen Vorgangsweise, die mitunter nicht den informellen Regeln eines Dokumentarfilmers (ähnlich wie unausgesprochene Regeln des Q – Journalismus) entspricht: dieser ruhig Fakten zusammenträgt, Zusammenhänge in zeitlicher Reihenfolge präsentiert und ein Gesamtbild entwirft, dass so gar nicht dem offiziellen Bild von Michael Moore entspricht.
Wie wohl wir uns gefühlt haben, dass es jemanden gibt, der die Probleme der Zeit nicht nur zu erkennen weiß, sondern auch noch schonungslos aufdeckt. Der mit uns auf der richtigen Seite (vs. Bush) für die Wahrheit kämpft, ein Mensch, der aussieht als würde er mit dir gerade in der Lieblingskneipe auf seinen Toast und ein Bier warten. Mit dem kleinen Unterschied, dass er heute ein gefeierter Megastar ist, und dazu noch die richtigen Ansichten vertritt. Kann das alles stimmen, ist Michael Moore der neue Jesus, für Anti-Amerikajubler, der Linken, den Demokraten und den Rest der Welt?
Wie funktioniert das? Michael Moores Methode des neuen Pop - Dokumentarfilms ist für einen Interviewten im o.g. Film schnell erklärt: “Er nützt Zeiten der Krise für sich (denn was hätte er aufzudecken, wenn es allen gut gehe), ist immer clever genug, selten nachweislich die Unwahrheit zu sagen, operiert mit Suggestion, mit Schuldzuweisung durch Assoziation und Manipulation durch eines aus dem Zusamenhang gerissenes Bild.”
Harte (na ja) Anschuldigungen für den Messias des investigativen Films, nur: Ganz von der Hand zu weisen sind diese Vorwürfe vorab schon einmal nicht – wer damals („Bowling for Coloumbine, Fahrenheit 9/11, 2003 und 2004) begeisterter Anhänger der Moorschen Arbeitsweise und dessen –erträge war, musste sich tunlichst mit eigener Kritik zurückhalten, um nicht von grimmig dreinschauenden Freunden als „Amerika-Freund“ beschimpft zu werden. Zu begeistert war man vom endlich wiederauferstandenen Dokumentarfilm, dem popkulturellen Phänomen des gerade beginnenden, zerrütteten und erschütterten (9/11) Jahrhundert, dem man leidlich hinterherlief. Man musste sich bekennen, Flagge zeigen.
Moore selbst, bezeichnet seine Filme eher als Spielfilme (näher an der Fiktion!), und daher dürfen Dokus für ihn besser, müssen unterhaltsam sein – vor allem räumt er sich am Schneidetisch größte Freiheit ein. Eine, nämlich der Freiheit, z.B. auch der freien Meinungsäußerung, fühlt er sich verpflichtet, betont wie wichtig sie ist, propagiert, schreit, begeistert - nur nicht dann, wenn er, ähnlich wie in seinem Erstling „Roger and me“, von einem Reporterteam zu unangenehmen Themen seiner eigenen Werke befragt wird. Dieses kanadische(!) Team hat sich auf die Suche nach der Wahrheit hinter den berühmten und Oscar- und Palmen- ausgezeichneten Filmen gemacht und entdeckt, das Moore sich oft und gerne des „Wir-fingieren-für-Dramatik und basteln eigene Wahrheiten“ – Kästchens bedient hat. So was verkauft sich einfach zu gut, und Moore versteht es Geschäfte zu machen.
„Missing Dissent“ zeichnet Moors Entwicklung, von einem unbequemen Autor bei einer linken Zeitschrift bis hin zum gefeierten Megastar in ganz Amerika nach. Der Film überlässt dieses Urteil, dass sei vorweg genommen, ganz in der Tradition des Dokumentarfilms, dem Zuseher. Die Fakten erschlagen mMn Michael Moore jedoch regelrecht. Moore kämpfte oberflächlich gegen eine Diktion des CIA, die lautete: Der Zweck heiligt die Mittel“ – für ihn jedoch war ihm jedes Mittel Recht, wie satirisch gezeigt wird. Er missbraucht Menschen, verdreht die Wahrheit, bricht auf gefährliche Weise die Grenze zwischen Spiel- und Dokumentarfilm.
Es ist dies die zweite Seite der Medaille, die oft ungefragt verborgen blieb, um das zu sehr passende Bild nicht zu zerstören. Moore ist, wie ein weiterer Interviewpartner treffend formulierte, “Kein kleiner, netter Bursche, denn das ist der gleiche Typ, der bei Leuten auftaucht, versucht sie in peinlichen Situationen zu erwischen und dabei auf Film aufzunehmen”. Er ist ähnlich heuchlerisch, wie Stefan Raab, der wenn man ihn selbst mit dem konfrontiert, was er anderen “antut”, nicht einen seiner Witze über sich ergehen lassen würde!
Apropos Geschäfte machen: Die sicher bekannten Firmen aus 9/11 wie z.B. Honeywell und Halliburton, waren im Moorschen eigenen Aktiendepot im Jahre 2000 noch gezeichnet – darauf angesprochen sieht man plötzlich einen Menschen, der sich, wie unzählige Politiker, ertappt fühlt und mit zuerst stoischer Miene, dann einem Lächeln und einer Umarmung vom eigentlichen ablenkt. Danke sehr! - und was soll lich jetzt noch glauben?
Stupid White Man
P.s.: bei
Amazon nur mit englischem Titel zu haben (auf Deutsch!) um schmale 9,90 Euro, auch in der Krise bleibt das leistbar.
Top – Empfehlung an dieser Stelle: ARTE hat bei einem Themenspecial (Wann wird sich der ORF zu solchen „Specials“ vor fast Mitternacht durchringen?) einer Film- und Dokureihe über George Walker Bush viel Platz eingeräumt – u.a. mit der hervorragenden, französischen Doku – Satire: Being W (nicht zu verwechseln mit Oliver Stones plattem Hollywoodfilmchen) - very funny!!! Suchbegriff: George Walker Bush - Arte Doku