Mittwoch, 20. Mai 2009

Leben nach Fauser

Für manche Geschichten muss es spätnachts sein. Liebe, Horror und Krimi funktionieren nur bei Dunkelheit. Manche Geschichten bleiben das auch. Einen Roman mit dem Titel „Das Schlangenmaul“ vermutet man eher am Bahnhofskiosk, zwischen Django und dem Dr. Geilo von Greifenburg. Der wahre Grund für Krimi um Schlangenmäuler mit Bahnhofsgeruch ist Jörg Fauser.

Wer diesen Namen noch nie gehört hat, hat noch nie probiert zu Leben. Das Leben, nach dem viele gieren, oft auch einer Vorstellung was zu einem echten Leben alles dazugehört. Kein Triathlon, Müslifutter und mal eine Zigarette zu nach der Arbeit verdientem Bier. Sex, Drugs, ein bisschen Rock´n Roll – in irgendeiner abgewandelten Form als dessen wieder zu erkennen, was diesen Dingen inne ist: Der Tanz um den Vulkan, dessen Puls in jeder Faser zu spüren. Mal aus Angst, mal aus heller Freude. Keine Karriereängste, Versagensschweiss oder geordneter Verhältnisse gehüllt in gebügelte Stangenkleidung.

Schlechte Drogen, die nie genommen werden, noch schlechtere Charaktere, viel Alkohol und Kippen im Mundwinkel: Was zumutet, wie der Bodensatz oft aufgebrühten Kaffees sind die Ingredenzien für eine versiffte Existenz oder aber jener vielbeschworene Kaffesatz aus dem Romane entstehen. Fauser, der mir aus dem Herzen schreibt, kompakt, wütend, die Dinge beleuchtend, handelt und sich auch treiben lässt.

Die Story? Harder in Berlin, Illustriertenschreiber, gibt eine Anzeige als „Bergungsexperte“ auf. Erster Auftrag: Verschwundenes Mädchen – und schon ist man mitten auf der Jagd, durch ein Berlin der Achtziger Jahre, einem Ausschnitt Berlins voll von Sekten, illegaler Spielklubs, einer bestimmten Subkultur zwischen glänzenden Fassaden. Immer tiefer wird man eingesogen in die Verstrickungen der Politik, einsamer Herzen, entführter Schlangenbeschwörerinnen und dem Anblick, dem man nicht ausgesetzt sein will: dem offenen Schlangenmaul. Einer Königskobra, die sich von Schlangen ernährt. Und mit einem Lächeln das die Lippen fast nach jeder Seit umspielt, steuert man auf das große Finale.

Klingelt es etwa gar jetzt? Fauser...mhhh...B...Bu...na endlich, aha, doch schon mal gehört, mit dem alten Suffkopp Bukowski, der deutsche Schneemann, alles klar! Nein, verdammt noch mal, nichts ist klar...ja die zwei Poeten haben etwas, dass sie verbindet, lassen wir es Weltschmerz, das Saufen, die Weiber sein, manchmal Freundinnen, dann wieder das Puff, aber jeder kann auch gut für sich alleine. Und Fauser beweist mir mit diesem Roman etwas: Er zeigte mir eine Welt der kurzen prägnanten Sätze, keine Aussagen in Granit, was es heisst, auf den Punkt zu bringen. Knapp sitzende Maßanzüge, die nie mehr sein wollen als gut auszusehen. Kommunikation als jene soziale Software anzusehen, die so oft auf zu wenigen Recheneinheiten der Menschen installiert zu sein scheint. Es ist mir kein Rätsel, warum ich meine Literatur derzeit so hoch einzuschätzen weiss, warum vieles von dem ich zu berichten vermag, einfach empfehlenswert ist. Weil ich einen kleinen Punkt zu meinen derzeitigen Errungenschaften, auch mit Hilfe dieses Romans bzw. dessen Protagonisten Harder, dazu zählen darf: Wer an eine gute Story glaubt, dem fliegt der Stoff auch zu. Na dann, bis zum Abend, bis wir unsere Flaschen wieder aufmachen werden, in der Hoffnung ein bisschen von diesem Leben nach dem wir gieren, einsaugen zu dürfen.

P.s. Ob ihr es lest, ist mir egal.

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