Sonntag, 7. Juni 2009

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Unfassbar ist es, so ganz ohne Drogenerfahrung etwas darüber zu schreiben – wenigstens besoffen irgendein Gestammel hinzuhämmern, in der Hoffnung morgens irgend Etwas davon zu verwerten. Verschämt verwirft man das Papier, beinahe glücklich, dass niemand ausser einem selbst den Mist in die Hände bekam. Drogen (jaja, auch die sanften, zarten Dingerchens, und auch das legale Zeugs, meine lieben Droogies) sind also wie Medien – Erfahrungsgüter. Jörg Fauser ist einer von den erfahrenen Menschen, die zerstochene Arme, abgebrochene Nadeln in denselben und ´cold turkeys´ zur Genüge vorweisen können und auch darüber schreiben. Und das Ganze noch mit hohem literarischem Wert. Der hätte mir so eine verdammte Lust vermittelt, fertig zu studieren, nicht einfach zur Zerstörung der eigenen literarischen Ambitionen (weil’s ja nach Winklerschem Denke die Unmöglichkeit einer Verbindung darstellt: „Wenn sie niemals schreiben wollen, so studieren sie halt Deutsche Philo“) – so etwas zieht mich an, wie Scheisse die Fliegen. Und zwar die fetten, hässlichen, in Vielfarben schimmernden, hektisch gegen die Scheibe brummend. Gestern habe ich so ein fettes Teil erschlagen, mit so einem Karacho - so wuchtig wollte ich es gar nicht – aus dem Leib quollen kleine madenartige Würmer. Die haben die Fliege wahrscheinlich von innen zerfressen. Mich wunderte das Gebahren der Fliege nicht mehr. Armes Schwein?

Und nach weiterer Lektüre der Fauserschen Werke sitze ich wieder wie anfangs, staunend mit offenem Mund: Unfassbar. (Hier bitte gestisch mittun: mit beiden Händen an die Stirn fassen, dann schnell nach vorne reissen, dazu gleichzeitg Kopf schütteln und leise vor sich hin murmeln: u-n-f-a-s-s-b-a-r...) Oh mein leiber Scholly, wo soll ich denn da nur anfangen? Vergleiche mit Bukowski, Bourroughs funktionieren nur bedingt, sind sie ja auch Bestandteil des Texts. Der Typ ist gut, nein, noch mehr...er ist sooo gut, dass plumbe Schönschreibereien nicht ausreichen. Es ist eine Lust mit ihm den Himmel und die Hölle zu erforschen, getragen von unprätentiosen Sätzen, die einem immer wieder einhämmern: so einfach geht’s. So kurz und prägnant, so auf den Punkt gebracht. Mein lieber Herr Rund-herum-schreiber-Sätze-wie-Kaugummi-aus-dem-Automaten. Und dabei lüfte ich jetzt das schönste an dem Ganzen: es ist nicht eine Sackgasse, die sich dem Leser auftut, sondern Chance, Lebenslust, Gier nach mehr, ja auch nach Drogen, aber ohne dem ganzen Neg - Zeugs, der Hölle, dem zerstörten Leben. Gibt’s wohl nicht – beide Seiten der Medaille, nur Hammer - Achterbahnfahren ohne Reue ist Wunsch, keine Wirklichkeit. Wirklichkeit heisst nur krachen. Unfassbar, für einen Jung´ dieser Gesellschaft, denn ohne Leistung keinen Spass. Kennt man ja, Erziehung heisst das. Zuerst Arbeit dann das Spiel. Sonst kommt das Leben und bestraft einen. Drogen nehmen das Spiel vorweg, danach kommt nur die Rechnung. Wenn man bereit ist diesen Preis zu zahlen. Und „Zahlen“ muss man immer.

Fauser, du bist ein Knaller. Da stolpert es sicher schon das dritte Mal über deine Fallen und dann trapste man mitten rein. Blitzableiter und Lebensgeist, Mahner und Erfüller – schwarze Tinte auf Papier. Drogennachschub für einen Lit-Junkie. „Rohstoff“ heisst das Ganze. Fausers autobiografische Mache – hab ja grad „Schlangenmaul“ hinter mir, zieht dir einen Scheitel, dass du gern mal das Buch zuklappst und dich fragst, was du denn bis jetzt so getrieben hast. Nicht einfach mal so. Es ist die Spritze voller Stoff in die Venen des lesenden Organismus. „Rohstoff“ ist Hochprozentiges, Opiat und Highflyer – das herzkranken Menschen den Ruin zeigt und sie unweigerlich hinein treibt. Das macht keine kranke Pumpe lange mit. Schon mal das Herz beim Lesen geklopft, feuchte Hände, suchende Augen, gelbgerandet. So sehr hab ich mir noch nie im Literarischen gewünscht wieder zu Zigaretten zu rauchen, den Stengel als Gefühl von – Rauch in den Nüstern, der schnelle Schluck nach dem Zug, ausatmen, die Kapillare kriegen den Stoff gepresst, einatmen – aha – durchatmen. Das ist genug, wie war das beim Schlangenmaul: Ob ihr das lest, ist mir egal, herzlichst

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