Montag, 29. März 2010

err-eff-iii-dee

Brieftaschen sind mir von klein auf ein Greuel. Sie erfüllten in meinem Leben einen einzigen Zweck: Sie gingen verloren. Ich besaß als Kind keine richtige Brieftasche, sondern bekam bei Schulausflügen etwas ähnliches zugesteckt. Zumeist befanden sich darin ein Zettel, wer der stolze Besitzer des Kleinods war und zudem ein Zwanzig-Schilling- Schein für eine Limo und Wurstsemmel. Der Finder meldete sich nie oder zu spät und so konnte ich mir am Buffet nie was spendieren – zwanzig Schilling waren vielleicht nicht so viel Geld, in meinen jungen Jahren war der Verlust ein Weltzusammenbruch. Als unzuverlässig gebrandmarkt, durchlebte ich die Höhen und die Tiefen meiner Kindheit ohne an einer köstlichen und selbsterstandenen Limonade strohhalmseitig ziehen zu können.

Meine wichtigsten Karten sind heute in einem edlen Lederetui untergebracht, mein Geld seit Jahren lose im Sack. Manchmal verstreue ich den Inhalt, zumeist Münzen, auf irgendwelchen Sitzen, klaube aber alles wieder auf – verloren habe ich über die Jahre nur wenig. Nespresso hat jetzt ein drahtloses Kundenerkennungssystem, sehr edel als Schlüsselanhänger in Leder gehüllt, ermöglicht es einen anonymen und schnellen Einkauf im Laden. Es fühlt sich gut an, einem Schlüssel einen Quasi-Zettel umzuhängen, daß wenn er verloren geht, ein Erkennungsmerkmal abzulesen ist. Schlaue und aufmerksame Zeitgenossen mögen den verlorenen Key dann einfach zu Nespresso tragen, die Funktion zweckentfremden und dem Kunden bravst entanonymisiert melden, dass vielleicht etwas vorliegt, was man in naher Zukunft vermissen wird.

Umständlich ist das Ganze, geben tuts einen Schlüsseldienst seit Jahrhunderten, wobei Nespresso ja auch keiner ist und dem RFID – Zeugs darf man aber gar keine Chance geben. Der Anhänger paßt zu gut zu meinem Etui für die Karten, wenn ich als modisches Accessoire schon keine Brieftasche mit mir herum tragen will. Den Chip werd ich mir schon noch vergällen.

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