Donnerstag, 8. April 2010

Automobiles

Meine Fahrzeuge werden älter – und sind es zunehmend auch schon. Was sich in jungen Jahren als ein leicht zu realisierendes Unterfangen anstellte, oft in Verbindung mit notorischem Geldmangel anzutreffen, wird mit zunehmenden Jahresringen ums Ränzlein ein schwierigeres Tun auf der Liste der Lebenslust. Vor allem dann, wenn die Kisten, mit denen wir die Straße hinter uns bringen nicht beim Einsteigen zerfallen sollen. Alte Karren knarren. Jung und neu ist das Diktat unserer Gesellschaft, dazu noch höher weiter schneller (teurer cooler besser) dem Jugendwahn gehorchend; kann das noch die meine sein? (siehe dazu: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?, Armin Pongs, 1998)
Es soll sogar Narren geben, die sich bewußt ein richtig altes Auto suchen, daß sie dann wie Ur-Opi um die Ecke werfen können, mit Klopapier und Wackeldackel auf der Hutablage (die auch ihrem Namen gerecht wird). Seit kurzem darf ich mich rühmen, ein Klorollenabdeck-Strickzylinder – Kutschierer in historischem Fahrzeug mit Hut noch am Kopf zu sein. Jenen Zeitgenossen, die ihren fahrbaren Untersatz von den anderen Blechkisten vor und hinter sich nicht unterscheiden wollen oder können, sei verraten, daß Autofahren auch eine lustvolle Seite birgt, besonders in stilechtem Ambiente knapp unter 100 Km/h Reisegeschwindigkeit. Das gehört genauso wie gute Kleidung zum Lebensselbstkonzept einfach dazu. Das muß man sich wert sein.
Auf das indirekt proportionale Verhältnis von Alter, Zustand und Preis sei an dieser Stelle bewußt hingewesen, denn wir werden älter, nicht schöner aber teurer, fast wie Autos eben. Geht’s aber ums Alter bei unseren weiblichen Mitgenossinnen so hat man sich diskret in Schweigen zu hüllen, außer sie sind blechene Diven in mondänem Kleid, daß man tunlichst nur Sonn(en)tags auf ein frisches Limoneneis um den See chauffiert. Man lächle fröhlich vor sich hin, in weiblicher Begleitung die Strecke absolvieren zu dürfen.
Unzertrennlich mit historischen Fahrzeugen ist ihre Historie – zumeist geht’s dabei um bekannte Vorbesitzer (überregional zumindest), eine bewegte Fzg. - Vorgeschichte oder ähnliches. Etwas ungewöhnlich (für Oldie-fans wahrscheinlich: Fad!) gestaltet sich der Ablauf des gesamthaften Übertritts ins Eigentum. Geprägt und getauft ging das edle Stück in meine Hände, skurrile Bezeichnungen geben Auskunft – aber auch mitübergeben wurden Geschichten rund ums Auto, der restlichen Welt und vielem mehr, alles in allem etwa 2h Erzählzeit. Ich weiß jetzt was die Frau des Verkäufers so treibt, kenne seine weitgereiste Lebensgeschichte und so ziemlich jeder meiner Bekannten kennt den Mann durch meine ausschweifenden Erzählungen. Das gehört genau so dazu, wie auch die Erfahrung, daß man eben älter werden muß, um das Alter zu schätzen. Ach ja, in der Postmoderne kann ich mir meine Gesellschaft aussuchen. Mein neues altes Auto ist ein Er.

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