Ich bin ein Boy der 70er, auch wenn das oft unerwähnt bleiben sollte – zu meinem und dem Wohlgefühl des Gegenübers – Gespräche über das Alter, nein lass sein. Was mich aber zu einem wirklichen Seventies-Jungen macht, ist die Faszination für Science – Fiction. Was war zu dieser Zeit nicht alles möglich, denkbar – an Visionen, Projekten und der Realisierung von Wunschmaschinen. Technikbegeisterung der hochschwangeren Art; Drübergestreut werden als feine Zutaten, für Kenner: Cyberpunk des tief in die 70er hineinragenden Achtziger-Zeitalters und für ganz gewitzte Bastler: Steampunk pur. Frühere Science - Perioden a la „Auf zum Atom“ sind entweder miteingeflossen, wurden absorbiert oder fanden vor meiner bewussten Aufnahmefähigkeit s.o. abgeschlossen, aber dazu: Pssst.
Woran ich diese präzise Analyse an mir selbst erkennen darf, ist, dass ich, durch Wahrnehmung und gesteigertem entymologischen Blick nahezu allem, was den Hauch dieser verflossenen Romantik anhaftet, Sinn verleihe. Das „da“ hin schrauben, dass ist jener Farbton, dass wäre technisch möglich usw…viele Computerspiele leben durch diese Optik, die Gamer, Nerds und Geeks verzaubern, die, selbst dem Freud´schen Prothesengott anhand ihrer Phantasien nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Borg müsste man sein, nur eben aus Kupfer, Kolben und Stellmotoren.
Ein Buch für jene die sich dabei wiedererkenn, ist Bill Brysons: Mein Amerika. Vor garnicht allzu langer Zeit hat genau eben jener Bryson schon einmal den Inhalt dieser Zeilen füllen dürfen – siehe dazu: Eine kurze Geschichte von fast allem. Populärwissenschaftliche Aufbereitung von: Naja eh fast alles, also nix. Und dieses Mal geht’s um des Herren Vergangenheit. Dem Amerika der 50er Jahre. So von 1952 weg cirka 10 Jahre zurück (Rückblickend) und erlebend und nach vorn schauend 15 schöne Jährchen.
Klein-Billy erlebt jene Traumzeit Amerikas in der fast alles möglich war, jedermann (ausser den Schwarzen) dem American Dream nachlief, das erwähnte Atom in Zahncremes verwendet wurde, Rauchen und Trinken nicht schädlich war und der Autor von einer Welt erzählt, die es so nicht mehr gibt. Klar, kann man das Rad nicht zurückdrehen und jede, also wirklich jede Vergangenheit bleibt als Erinnerungsstück einmalig. Den Unterschied dabei macht die Erzählung. Die Geschichte lässt mich an so vielen Einzelschauplätzen teilhaben, Freundschaften durchleuchten, die Familienverhältnisse betrachten, ganz so als wär ich dabei gewesen. Das Nebenprodukt dieser Erzählung stellt die Basis von Science-Fiction-Träume aller Couleur dar. Was bis dahin noch nicht gedacht wurde, wurde erfunden – ausprobiert, geglaubt, getestet und für gut befunden. Atombombentourisums war so IN, dass neben den Testgeländen riesige Hotelanlagen gebaut wurden; der Begriff Zukunftsängste lag da noch nicht mal im embryonalen Stadium.
Flüssig wirft man den Blick auf die Innenwelten des jungen Bryson, erfährt so nebenbei die Geschichte Amerikas, durchläuft mehrmals die Fünfziger um immer wieder neue Ecken derselben Geschichte zu erfahren, die zuvor unbekannt am Rande des Erzählten waren und nur darauf warteten, angesprochen zu werden. Einige bekanntere Stränge der Geschichte (siehe auch: War against Communism -> Good night and good luck!) sind aus der Erzählersicht unverständlich, Bryson gelingt aber genau dabei ein besonderer Kniff: Durch die Erinnerung eines Jungen werden, dürfen und müssen manche Begebenheiten im Sachlichen bleiben. Wenn also Billy anhand von eindrucksvollen Geschichten erzählt, wie sehr die Menschen unter der Verfolgung des eigenen Staates zu leiden hatten, darf er berichten und man kommt nicht herum, das auch durch die eigenen Augen, sachlich sehen zu wollen. Erst durch den eigenen Erfahrungshintergrund, der Vorstellung und sich in die Lage der Betroffenen versetzen zu müssen, wird einem die Tragweite bewusst; in all ihren schrecklichen Ausmassen. Das ist nur eines der wenigen negativen Beispiele. Was im Negativen funktioniert, erfüllt im Positiven den Zweck, sich herrlich in eigenen Einnerungen zu baden, auch wenns manchmal nur Träume aus den späten Siebziegern sind.
Nach Pratchett, Moers ist nun Bryson jener Autor, der viel Geschrieben hat, von dem ich wenig gelesen habe, aber Stück für Stück ein Universum entdecken darf, das zwar nicht unendlich ist, mir aber viele vergnügliche Stunden bereiten wird.
Tipp: Billy Bryson, einmal Werkschau
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen