Dienstag, 27. Januar 2009

Attacke!

Was bleibt einem treuen und fanatischen Österreichsport – Fan (das bin ich ausnahmsweise mal nicht!) als Beruhigung für das doch noch „glorreiche“ (Achtung: Cordoba ist 30 Jahre her!) jedoch im hellen Licht der Aufklärung besehene, peinlich bescheidene Abschneiden der österreichischen Fußballnationalmannschaft 2008 (und das ca. 10 Jahre davor und sicher zukünftig) – es ist das Killerargument Nr.1 und Rechtfertigung für fast eh alles: Im Winter, ja da sind unsere Mädels und Buben wieder ganz oben, da strahlen wir um die Wette in die Kameras der angeschlossenen Fernsehanstalten, da gibt’s zu bejubeln und den „Gladiatoren“ mit zu zufiebern, bis wir alle ganz „krank“ vor Begeisterung darnieder liegen – Österreich ist Skiweltmeister(lich) und Siegesabonnent für die Disziplinen zwischen: Start – Blau – Rot – Blau – Rot – Ziel und Sieg! Ganz Österreich? Naja, fast – bis auf ein ganz kleines Dorf im Süden des Landes.

Wir definieren uns, durch das, was wir tun: als Ausgangspunkt dient die Lebenswelttheorie, die von Alfred Schütz entwickelt wurde. Diese besagt, dass die Lebenswelt, in der Menschen leben, intersubjektiv ist, also nicht nur durch das eigene Handeln bestimmt, sondern auch von Taten, Einschätzungen und Grundeinstellungen anderer beeinflusst wird (1) – Was wäre Österreich ohne Karl Schranz, Toni Sailer oder einem Herrman Maier? Kennt man doch, oder? Allen Unkenrufen sofort zum Trotz: Da(s) sind WIR (wer)! Das gibt uns Kraft. Ganz egal, ob dabei nur eine Handvoll Nationen mitstreiten, das Interesse in vielen Ländern gegen Null tendiert oder in letzter Vergangenheit von „Österreichischen Meisterschaften mit internationaler Beteiligung“ die Rede war – wir kleines Land haben, ob unserer Beheimatung einfach das Talent und die Bedingungen von Geburt an mitgekriegt – das „Skifahren unser“, aufgesogen durch die Muttermilch, Charakter und Rückgrat der ganzen Nation. Und wehe dem, der es wagt an diesem, unseren Nationalheiligtum zu kratzen; des Winterzaubersports aller Sportarten, der den ersten Kanal im heimischen Fernsehen von ca. Anfang Dezember bis Mitte März mit neuem Weißabgleich versorgt. Sicher bin ich nicht der Erste, der zahllose Gedanken an die vielen Stunden verschwendet hat, mit welchen Wiederholungen uns die heimischen Sendeanstalten ansonsten gequält hätten, würden wir nicht den kurzfristigen und manchmal längeren Karrieren erfolgreicher und nicht so toller „Ski-Asse“ verfolgen können. Spontan fällt mir die Sendung „Russisch für Anfänger“ ein, mit der etwas herrisch anmutenden Frau (Привет!), derer ich mich, als eine der frühesten Eindrücke der 80er, kindliches Fernsehtrauma erinnerlich halte. Wieviel an Wissen wäre in mich geflossen, wie viel Unterhaltung musste ich versäumen – andererseits wurde ich doch auch „gut“ unterhalten und womit würde ich mein Stolztriumphgebäude heute denn aufbauen, wenn nicht mit Ziegel der heimischen Skisportsiege aus dem Staatsfernsehen. Früher waren Skirennen ein Familenmuss mit gemeinsamem Absingen der Nationalhymne (Achtung! Übertreibung), heute Dauerberieselung.

Schon oft durfte ich einem Benjamin Raich, besser bekannt unter dem Decknamen „Benni“ lauschen, der mich, wie viele seiner Zunft, ob seiner aussagekräftigen Sprache und wieder wechselnden Themen seiner Interviews verblüfft lauschend unterhielt. Groß war meine Begeisterung und eigentliche Herausforderung: jedes Interview nach den Rennen „Bullshit – Bingo“ spielen (ein paar wahllose Begriffe: Bedingungen der Piste, Klima, Ski; Anspruch der Kurssetzung, des Bergs / Trainers / Vati, schwierige Schlüsselstellen, ansteigende Formkurve, leichte Verkühlung und mit götem Dank an Betreuer / Servicemann / Zuseher / Fans / Helfer / Mama / dem lieben Gott).

Und wie so oft, erkenne ich blitzschnell den eigenen Anspruch, nicht anderen Menschen bei ihren Tätigkeiten zuzusehen, sondern die Brettl´n zu packen und auf die Piste zu stürmen (wahlweise Snowboard, Slopestyler o.ä.). Ein Kurz-schluss verführt mich zu der wahrscheinlich nicht-haltbaren These, dass diese theoretische Auseinandersetzung ganz klar auch unsere Lebensumwelt, unser Sein beeinflusst; das Ausgestrahlte, doch wahrscheinlich wieder nur dem höchsten Ziel unserer Gesellschaft dient - Basis der gesamten Ski-Industrie zu sein. Ganz klar, für viele wird auch ein ganz lässiges „Schaut her, so super samma wir!“ – Gefühl vermittelt, und Österreich (46% aller Ösis - bis zu 3,5 Millionen Schluchtenscheisser sahen die Rennen am Kitz-WE, siehe dazu: orf.at/Zahlen) hält bei einem Sturz auf der Streif den Atem an – der Benni darf reden, weil auf seiner Stirn dick und fett ein Etikett klebt, das besagt, wohin es sich am meisten lohnt skifahrerisch zu pilgern – ich sagte ja, ein Kurzschluss. Draussen schneit es (yippih!), ich werde die nächsten Tage sicher wieder eine Liftkarte lösen, stolz beseelt und mit Freuden zu Tal schwingen – ganz ohne TV-Konsum. Здорово!

(1) Lebenswelttheorie von Alfred Schütz: siehe Flaschenboden!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen