Freitag, 21. Mai 2010

Gesammeltes Unwissen

Wahrscheinlich wäre ich früher als Medizinmann herumgeirrt. Mit krudem, manchmal zusammenhanglosen, aber dennoch oft reichhaltigem Wissen hätte ich noch blödere Zeitgenossen natürlich ohne Beschwörungsmaske auf dem Kopf davon zu überzeugen versucht, für mich Beeren mit zu sammeln. In der Zwischenzeit dürfte ich meine Studien vorantreiben, Versuche und Irrtümer sein zu lassen, um die bekannte Menschheit ein gutes Stück im Wettlauf um die Krone der Vormacht bei Früchtesammeltechniken nach vorne zu bringen. Den Bauch hätte ich mir ob der Masse an Früchten halten müssen, manchmal diesen auch vor Lachen, aber satt, dann aber mit Schreckensmaske vor dem Gesicht - den Anschein wahren.
Mit Früher meine ich bevor sich die Menschheit dazu entschlossen hat, die Jahreszeitläufe, damit Erntezeitpunkte und anfallendes Zusatzwissen (Vergärung der überschüssigen Früchte nach ritueller Tötung des forschen Medizinmanns und anschließender Balsamierung durch gewonnenen Alkohol) als Kulturgut aufzuschreiben. Die Sammlung des Universellen auf einem Medium hätte mich (im Überlebensfall), das Medium, zu einer neuen Berufung gezwungen.

Vorstellbar wären als Übergangslösung: Consultant für die angesagtesten Steintafel - Verlagskaschemen, später Geschichte - Schreiber (keine Geschichten, die werden über einen geschrieben) und viel später, schlimmbestenfalls Klinkenputzer, bevorzugt in Einfamilienhäuser - Gegenden gehobenerer Art, mit Bewohnern, denen eine 22-bändige Exklusiv-Ausgabe des aktualisierten Weltalmanchs zur Hebung der eigenen gesellschaftlichen Stellung ganz klar noch fehlt. Wer füllt sich seine Leerstellen im Leben nicht mit dem Spiegel gutbürgerlichen Wissenstands, der spätestens kurz nach dem Ankauf sein Ablaufdatum erreichte? Gefüllt wären auf jeden Fall die Westentaschen des Klinkenputzers, der sich dann die Früchte seiner Arbeit wieder in den Bauch schieben darf, ohne schmerzlicher, ritueller Überführung in andere Wesenszustände, außer durch Vergärtes (dazu: siehe oben)

Scheinbar habens Lexika meinem Leben angetan - seit frühester Kinderlese an begleiten mich (und wahrscheinlich hunderttausend andere „Gschroppn“ auch) diese mal dicken, mal weniger umfangreichen Wälzer, die man aufschlagen kann, wo kind will, immer gibts gleich die Portion anscheinend nutzloses Wissen, interessante Bilder, Zusammenhänge, Welterklärungen und wenn Teilnehmer so will: Telefonjoker en masse. Natürlich sind die Nationalgrenzen kein Schabernack, auch ist es gut zu wissen, wo das limbische System sitzt, aber mit der komplizierten Färbung des Federkleids eine Sumpfdotteramsel hört das Millionenshow-Geldverdienen-Gedankenspiel auch schon wieder auf. Das jeweilige Buch voller Antworten harrt seiner in den eichenholzverbauten Wänden der Familien. Unberührt - höchstens angestaubt und abgestaubt. Fast schon Einrichtungsgegenstände selbst: man ließ sich klassischerweise auf effekthaschenden Messen von stumpfen Saufnasen zum Kauf einer ganzen Reihe Lexika überreden. Wenige Lese-racker (um nicht Ratten zu sagen) lesen die umfangreichen Kulturguttabernakel von A bis Z, die Werke sind wahrscheinlich auch nicht ganz diesem außergewöhnlichen Zweck gewidmet. Ja wer, außer einem kleinen Jungen, irgendwo am Rande einer Provinzstadt führt diese Meterbuch seiner Bestimmung zu, liest das auch wirklich, um sich sein junges unentwickeltes Hirn von Kindesbeinen an schon vollzumüllen. Kein Wunder also, wenn ich heute ausw(ä)endig die unlogische Reihenfolge wechselnder Dollarnoten in den ersten 9 Unionsstaaten zwischen 1844 und 1902 fehlerfrei aufsagen kann, aber mir im Gegensatz nicht einmal die drei wichtigsten Positionen, zumeist Nahrungsmittel für den täglichen Einkauf merken kann. Dem aktuellsten Problem einer Wissensgesellschaft nicht unähnlich: Aufgrund der Fülle an Information müssen wir Filter entwickeln, wichtiges von unwichtiger Information unterscheiden, um nicht hoffnungslos im Meer der Uninformation zu ertrinken (Ungeachtet der Unwichtigkeit von 99% der Information des täglichen Lebens)

Das Lexikon der vergessenen Dinge, der Almanach der Mythologie (nein, nicht Motologie - kommt noch!), die Herrscherhäuser Europas und und und zu guter Letzt und immer wieder, das sehr umfangreiche Jugendlexikon, welches beim Chinesen um die Ecke aufliegt und bei fast jedem Mittagsmahl aufgeblättert wird, nur um sich über den Wissenstand von vor 25 Jahren ein Bild machen zu können - immer und überall, Listen, Abbildungen, Vergleiche, Tiefgehendes. Die Lexika unseres modernen Tuns unterscheiden sich in Farbe, Aussehen und Geschmack natürlich den vollkommen geleckten Buchrücken der 22-Bändigen Monster in den Regalen unserer Verwandten und Bekannten. Die Artikel nicht. Den Höhepunkt der privaten Sammlung bildet aber unbestritten die Fragebox von Trivial Pursuit, jener bekannte und gesellschaftliche Zeitvertreib mit mir spielen keinen Sinn mehr macht - andere haben die Titelsongs ihrer Teenie - helden auswendig gelernt, ich versuchte auf so ziemlich jede gestellte Frage, eine Antwort zum richtigen Zeitpunkt parat zu haben. Neugier war meine Triebfeder, die Enzyklopädie das Mittel zum Zweck einer Befriedigung, die heute noch nicht erfüllt ist. Wikipedia ist für ein Kind der späten Siebzieger nur eine trostlose Sammlung von Artikeln, zusammenhanglos schwimme ich mal da, mal dort in den Wissenstümpeln, entdecke weiße Flecken und schüttel jedesmal den Kopf, wieviel wir sammeln, und wie wenig mir das in dieser Form (heute?) gibt. Wiki ist wichtig. Zitieren würde ich keine Brockhaus mehr. Ach ja, Wikpedia auch nicht (mehr).

Mit der unseligen Gabe eines lexikalischen Wissensaufbaus ausgestattet, fülle ich offene Läden meiner grauen Hohlwelt durch die Masse an Notwendigem, um bei Bedarf den roten Knopf, wenn auch nur vorgestellt schneller als alle Anderen drücken zu können - dass diese Schubläden miteinander selten in Verbindung treten, d.h. das Wissen im Oberstübchen nur punktuell vorhanden ist und ich spätestens beim Thema Hausverstand nur zum Mittelmaß gehöre, ärgert mich nicht. Vielmehr stört, das sich da Hirn und Verstand, Wissen mit Intellekt einen Schlagabtausch auf Kosten meiner Kapazität machen, irgendwer oder -was zieht den Kürzeren. Die Folge ist ein herrlich verklärter Gesichtsausdruck, der das Gegenüber zum Schmunzeln einlädt. Ich lächle meist ob der dargereichten Pracht zurück. Es geht doch nichts über das Unwissen. In einer Form die ungeachtet des Wissensstands jeder versteht: Blödschau. Wird sicher einmal eine Antwort in einer der wichtigsten Enzyklopädien der zukünftigen Welt. Ganz bestimmt. Denn ich weiss es jetzt schon.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Eyjaf--löll..aer.-jalla--joehh/cool...ah geh!

Ich habe gelächelt, als ich die wahren Ausmaße des größten europäischen Vulkanausbruchs des noch jungen Jahrhunderts erfasst habe - was da nicht so alles passiert und der natürliche Ernst hat auf jeden Einfluss. Geliked hab ich den Unaussprechbaren im FB nicht, schon gar nicht wurde ich Fan. Im Guten wie auch im Schlechten - nichts.
Die einen hängen am Hangar und möchten gerne abheben, die anderen heben ab, weil irgendwo im Norden Asche den Himmel verdunkelt. Schön ausgewogene Welt. Dass ich damals aber auch gar nicht und nur unter den Geringsten die wahren Außmasse erfassen konnte, auf das wäre ich nicht gekommen. Simulation hin oder her, geschätzte 100000 Artikelwörter später, von einer faszinierenden Bildergalerie zur nächsten geklickt, hat sich mein Lächeln nicht gewandelt, nur -
...
ich checke in gut einem Monat ein, verwarte dann meine Zeit im Zwischenbereich und werde hoffen, das ich per Billigstbomba gen Süden gehopst werde - so wie es derzeit ausschaut kreisen Millionen feinste Partikel über dem europäischen Festland und verdichten sich zu einem undurchfliegbaren gesichtslosem Monster, wenn - ja, wenn was? -> Schiefwetterlage. Jetzt ist fast eine Ewigkeit in aktuellem Zeitgefühltem seit dem Huster vergangen und über Teilen Europas wurde wieder Flugverbot erteilt. Es jubeln die vor Technikangst-ihr-Essen-über-Kerzenwachs-erwärmen, es kreischen nur selten Turbinen, verflucht sei der Unaussprechliche auf vielen Flughäfen des vereinten Abendlands.
Ich lächle noch immer, weil ich erkannt habe, dass es so oder so passieren wird. Fliegen oder Rumsitzen, Verdichten oder Auflösen. Ich werde so oder so in das Land reisen, wo Milch und Honig fließt. FB ist der Unaussprechliche für die virtuelle Welt. Und die Asche die derzeit dieser rasant wachsende Moloch ausspuckt, wird sich so schnell nicht auflösen. Bitte lächeln.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Ver-Lust

Im Schnitt werden so an die 5 Bikes pro Monat in Österreich gestohlen (klingt härter als geklaut!) – nehme ich an, anhand der Suchinfos auf dem größten österreichischen Moto-Portal (das auch angenommen) – wie groß der Rücklauf, also entwendetes zu wieder im Besitz befindliches Bike ist, kann ich wieder nur annehmen = 0. Ohne offizielle Kriminalstatistiken gewälzt zu haben.*
Wenn ich mir die Liste näher anschau, stelle ich mir eine große Anzahl an Fragen. Fakt ist, dass das nicht nur Bikes ohne hohem Wiedererkennungswert sind, d.h. da hilft nicht nur eine Dose Lack und schon erstrahlt der Neuerwerb im Superdupernuovo - Look.
Da sind Bikes dabei, die so niemals wieder gefahren werden dürften, also in einem Wohnzimmer stehen werden, weil sie so bekannt sind und ihr ehemaliger Besitzer sicher keine Mühen scheut, das Ding auf allen Märkten und Treffen zu suchen. Natürlich kenne ich verifizierte Storys vom Diebstahl aus der abgesperrten Garage, aber das muß (muss) zielgerichtet sein – und dann finde mal einen Abnehmer in Rumänien für ein 10000€ Bike.
Das geliebte Zweirad am abgestellten Platz nicht wieder zu sehen, löst bei mir jetzt schon schwere Auszucker des linken Auges aus – wenn ich den erwische, dem (Ihr?) hacke ich mehr als nur die Hände ab. Aber ich bremse mich schon ein, es ist ja noch nichts passiert. Also muss es der pöse Teilemarkt sein, für den da heftigst Angstschweiss ausgeschüttet wird - „Brauchst an Blinker?“ - Antwort: „5 Minuten Angst!“, oder auch beliebt: Verkaufe Havarie (Ringgerät, Unfall) in Teilen, da kann man sich dann den sehr günstigen Tank auf den Rahmen schnallen und sich übers Schnäppchen freuen. Für die Eisenschmelze was zu klauen, bleibt den unguten Zeitgenossen über, auch ein Klischee will bedient werden: Der Osten war es.

Genauer bitte - Nein! Muss man nicht, es reichen Zuschreibungen anVölker für Verbrechen aller Art. Den Verlust zu verschmerzen; da hilft Zeit und eine gute Versicherung - den ideellen Wert dabei zu ersetzen, manchmal unbezahlbar. Schön, wenn da mal wieder was gefunden wird, was man "verloren" hat. Vielleicht auch noch in dem Zustand, in dem es sich befunden hat. Vielleicht auch in besserem. Man darf ja noch hoffen - auf Diebe mit Sinn für Stil.

* Österreich. Zahlen. Daten. Fakten

Mittwoch, 5. Mai 2010

Schal(c)ko

Tausendsassa Schalko, Vorname David – Produzent wenn ich mich recht erinnere, einer meiner All-time-Favoriten - „Sendung ohne Namen“ (und wer einige dieser Goldstücke der TV-Unterhaltung sein eigen nennt, könnte mir doch bitte in Zukunft sein Archiv online zugänglich machen) - Schalko, als Filmproduzent schon eine fixe österreichische Größe hat mich mit seinem neuen? literarischen Werk aber so etwas von überrascht, sodaß es mir meine Vorurteile um die Ohren gwatschelt hat, dass mir die Hälfte bene dieser schon gereicht hätt für gsalzenes Ohrenschmauserl.
„Frühstück in Helsinki“ ist, und da ich mit Superlativen und Lobpreisungen an dieser Stelle nicht gerade zimperlich bin, muß ich also eh vorsichtig sein, durch zweierlei ein starkes Buch: Es half mir, eine gedankliche Misere in meinem Kopf hervorragend aufzulösen, kam also zur rechten Zeit und war trotzdem überfällig. Weiters ist es ein Buch, das den Zeitgeist auf uneigentümliche Weise präsentiert.
Wie jetzt? Die Geschichte dreht sich um einen wohlstandsverwahrlosten Jüngling nahe der Dreissiger, in einer lauen Beziehung irgendwo hängen geblieben zwischen Arbeitsjoch, Lebensunlust und Beziehungsbeendigungsproblemen. Seine Freundin trägt ihres zum Seitenfüllen bei, oder tut wie so oft, nichts (eben im Auge des Betrachters). Der Anti-Held schwingt sich aber auf, zumindest im Geiste, später auch so ganz real – um das Leben, dass ihm zusteht zu Leben. Dazu braucht es Kraft und Mut, Überzeugung, Chuzpe, Geld und die richtigen Personen, die einen indirekt eh sagen, wo es langgeht, den Weg gehen muß man aber wie immer selbst – und draufgekommen ist man selbst und selbst ist man selbst.
Klingt wie eine Berufsberatung, ist aber ein rundes Werk, dass sich aus der Hand an einem Stück durchlesen läßt – ja, so etwas gibt’s. Feine Ware für feine Menschen. Schalko sitzt nicht nur im Nacken, sein Held im Flieger nach London, Amsterdam und natürlich wieder Wien. Zum Schluss gibt’s auch noch was versöhnliches, aber lesen muß man und genießen und – eh klar, selbst.

Dienstag, 4. Mai 2010

Il postiglione

Ich kommuniziere mit meiner(m) BriefträgerIn. Nicht wie man meinen könnte verbal und als Krönung von Angesicht zu Angesicht – es ist mehr ein Geben und ein Nehmen beiderseits. Ich nehme die abgelehnten und mehrmals als ungewollt deklarierten Postwurfsendungen aus dem Briefkasten und lege sie auf den Postkasten, die BriefträgerInnen (vielleicht sind sie ja zu zwein?) haben seit kurzem heraussen, wer ihnen da Papiergeschenke angedeihen läßt und legen sie sehr unsäuberlich wieder in mein Fach. Müßig zu erwähnen, daß die normale Post zerknittert wird. Aber egal. Hauptsache Kommunikation, oder?

Auf der Tür zu meinem Postfach steht unübersehbar, dass ich unbestellte, unadressierte Werbung ablehne, ein roter Aufkleber weißt zusätzlich daraufhin – dass diese Zeichen eindeutiger Ablehnung mißachtet werden schmerzt gleich viel, als daß diese in ihrer Funktion somit als lächerlich herabgewürdigt werden. Das ich ein Spiel spiele, bei dem ich zwangsläufig verliere ist mir aber genauso bewußt, wie in gleichem Maße die Vertreter der Post auf meine Ruhe vor der Anzeigenflut verzichten und damit zuküftigem Augenkrebs ob der vielen Werbung hinarbeiten. Was muß ich tun, damit ich keine Schrottinformation an meiner Haustüre und/oder meinem Postfach erhalte – darüber hinaus, für wie blöd halten uns die Unternehmen, um uns fast jeden Tag mit den letzten, aber wirklich allerletzten Angeboten zu terrorisieren – Octave aus 39,90 hat sich die Mühe gemacht, auszurechnen wie oft wir von Geburt an, bis zum 18. Lebensjahr an Werbesujets aufnehmen - die Zahl war erschreckend hoch, der Film erschreckend ernüchternd. Vielleicht werde ich mal dem Postverteiler mal eine schöne Nachricht auf weißem Papier zukommen lassen, Buchstaben fein säuberlich aus den unzähligen Angeboten ausgeschnitten – Sie werden dann wissen, wer es war und was ich will. Vielleicht wird es sich dann aufhören. Schöne Kommunikation ist das.

Historisches: Als Kind konnte ich meinen Nachbarn beim Erzeugen von Papierbriketts zuschauen – tagelanges Einweichen von Zeitungspapier in Bottichen, dann Pressung von zylindrischen Stücken und anschließender Stapelung und Aus bzw. Durchtrockung. Geraucht haben die Dinger im Winter ganz schön, gewärmt haben sie auf jeden Fall – vielleicht sollte ich ja die Postwurf - Werbung einem höheren Verwendungszweck zuführen. Sehr Schönes zum Schluss: Der Film „il postiglione“ ist ein wunderbares Stück und auch traurig – sollte man gesehen haben.